Über Wasser

 

 Martina Tschernis Konzept beginnt dort, wo das Leben herkommt, nämlich aus dem Wasser. Es tritt aus der Erde als Quelle, bewegt sich als Fluss, steht als See, ist zugleich in ewiger Ruhe und endloser Bewegtheit als Meer. Wasser verwandelt sich, steigt auf, fällt abwärts oder fliegt als Wolke über unsere Köpfe hinweg, verwandelt sich, befruchtet, spritzt rauscht, gurgelt, wirbelt, stürzt, rollt, rieselt, zischt, tröpfelt und murmelt. Wasser ist farblos, aber kann alle Farben annehmen, gilt als Urgrund und birgt ein unerschöpfliches Reservoir kultureller Symbolwelten mit religiösen, mythologischen und philosophischen Deutungen wie Hartmut Böhme schreibt.

 

Wasser steht für das Unbewusste, den Eros, die Träume und auch für die Zeit, denn man steigt nicht zweimal in denselben Fluss sagt Heraklit; bei Goethe heißt es, dass des Menschen Seele dem Wasser gleicht und für Hans Blumenberg wird Wasser zu einer Daseinsmetaphorik: Leben als Schifffahrt und existentielles Scheitern, der Fluss von der Quelle zum Meer als Lebensbahn

 

Damit wird klar, wie um- und tiefgreifend die "Materie" ist, in der sich das Donau-Projekt bewegt: Beginnend mit den winzig kleinen Lebewesen, die dem freien Auge unzugänglich und durch die Zeichnung sichtbar sind, wird die materiale Grundlage für eine Video-Installation geschaffen, welche sich inhaltlich einem temporären Leben im Fluss verdankt.

 

 Die Künstlerin ist an allem leibhaftig beteiligt. In dem sie donauabwärts schwimmt geht sie ein Wagnis ein: mit dem Körper, wegen der Kälte und trotz des regen Schiffsverkehrs. Diese reale Handlung wird aufgezeichnet, live projiziert und während das geschieht, bringt sich ein besonderes Wissen zum Ausdruck, welches allem Lebendigen eignet.

 

 Schwimmen bedarf wie Tanzen, Schreiben, Klettern oder Zeichnen vor allem auch der Übung, die sich über die Zeit hinweg zu jenem praktischen Sinn verdichtet, der als Wissen im Körper "sitzt" und wie selbstverständlich aufzurufen ist.

 

 Dieses Körperwissen fungiert in Tschernis künstlerischen Arbeit als Dreh- und Angelpunkt schlechthin, indem Zeichnung, Installation und Performance so miteinander verbunden werden, dass eine gemeinsame Teilhabe an dem realen Geschehen außerhalb des unmittelbaren Aktionsradius der Zuschauer*innen möglich wird. Ohne Risiko für Leib und Leben, dennoch als ein gewagter Akt der Wahrnehmung, der sich als Fundament des Denkens, Fühlens und Erinnerns begreift. 


Im Wasser werden Anfänge des Lebendigen erinnert, auch die des Menschen als eine der gut 20 Millionen Arten, die es auf der Erde heute noch gibt. Es ist somit das Wasser, in dem sich die Geschichte der Menschheit samt gesellschaftlichem Zustand spiegelt und auf die Fragilität des Lebens und Überlebens im Anthropozän verweist.

 

Ein Beleg dafür ist „….vom Schwimmen im Fluss“: sensitiv, vielschichtig und kraftvoll.  

Univ.-Prof. Mag. Dr. Helga Peskoller